Reisejahr: 2014
Die Kapitan Keling Moschee ist mir bereits gestern Abend ins Auge gefallen als wir ein Taxi vom Pier in Georgetown zu unserem Hotel nahmen. Auslöser war eigentlich ihr weißer Turm auf dem Vorplatz, der bei erster Betrachtung aussieht wie eine kolonialer Uhrenturm. Als wir heute durch die Stadt laufen, kommen wir zufällig wieder bei der schönen Moschee vorbei und ich möchte gerne mal reinschauen.

Wir haben Glück, denn die Moschee wird fünf Mal am Tag für Gebete genutzt. In dieser Zeit ist der Zutritt für Touristen nicht gestattet. In der Zwischenzeit heißt man Besucher gastfreundlich willkommen. Wir sind um 13:55 Uhr vor Ort, genau 5 Minuten vor Beginn der Besuchszeit. Die Moschee dürfen Frauen nur verschleiert betreten. Für Besucherinnen stehen Schleier zur Verfügung, die den ganzen Körper, außer das Gesicht und den Hals bedecken. Die Haare flattern zwar aus dem Gewand. Aber das ist nicht weiter schlimm.
Als wir die Moschee betreten, treffen wir direkt auf einen jungen Mann, einen Inder, der uns gerne durch das Gotteshaus führen möchte. Er stellt direkt klar, dass die Führung absolut kostenfrei ist. Unser Guide ist mir sofort sympathisch. Wir haben uns in Asien bereits einige Tempel und Gotteshäuser angeguckt, aber noch nie kam jemand auf uns zu, der uns ohne jede Gegenleistung etwas zu dem Gotteshaus erzählen möchte.
Die Kapitan Keling Moschee wurde 1801 errichtet. Ihre Architektur sei durch vier Kulturen beeinflusst: „Inder, Mongolen, Chinesen und Italiener haben hier ihre Spuren hinterlassen.“ Malaien hätten übrigens nicht mitgewirkt. Die Moschee wurde von Siedlern aufgebaut. Das sieht man bereits, wenn man sich die verschiedenen Stile der Spitz- und Rundbögen anschaut. „Der Boden ist italienisch.“, erklärt unser Guide.

In der Gebetshalle befinden sich nur noch ein paar Männer, weil das Mittagsgebet bereits vorbei ist. Das Tor ganz vorne, in der Mitte des Bildes, ist Richtung Mekka ausgerichtet, so wie in jeder Moschee auf der Welt, erklärt uns unser Guide. „Dadurch wissen die Menschen, in welche Richtung sie ihr Gebet sprechen müssen. Der Holzvorbau direkt daneben ist für den Imam, dem Vorbeter.“ Unser Guide erklärt uns, dass der Imam wechselt. Jeder könne die Rolle des Vorbeters übernehmen. Er zeigt auf einen Vater mit seinen zwei Söhnen: „Der Vater ist der Imam, weil er das Gebet leitet. Seine Söhne folgen ihm. Wenn Sie die Gebetshalle verlassen, ist er nicht mehr der Imam.“ Er deutet uns auch auf einen abgegrenzten Bereich hin, in dem die Frauen beten. Er selbst darf ihn sich nicht anschauen, aber wir. Wir stehen vor einem winzigen Bereich der Halle, der durch Holzbretter abgetrennt ist. Von hier aus kann man den Imam nicht sehen. Die Frauen tragen einen weißen, langen Schleier.
„Habt ihr Fragen?“
„Ja. Die Frauen können den Imam nicht sehen. Warum nicht?“
„Das ist richtig. Sie können den Imam nicht sehen, aber hören. Frauen und Männer müssen beim Gebet getrennt sein.“
„Bedeutet das, dass Frauen kein Imam sein können?“
„Hier in der Moschee nicht. Aber sie dürfen zu Hause das Gebet leiten.“
„Warum werden Frauen und Männer in der Moschee getrennt?“
„Das ist wichtig, damit sich jeder auf das Gebet konzentrieren kann. Wenn die Frauen neben den Männern stehen würden, wären die Männer abgelenkt und unkonzentriert. Außerdem nehmen die Frauen ihre Schleier ab, um sie durch einen weißen Schleier zu ersetzen. Wie würdet ihr euch fühlen, wenn Männer euch beim Gebet ansehen könnten?“
„Um ehrlich zu sein ist das für uns ganz normal. In der Kirche stehen Frauen und Männer direkt nebeneinander. Keiner ist dadurch abgelenkt und Frauen werden nicht angestarrt.“
„Ok.“
Unser Guide erklärt uns auch, was es mit dem Turm auf sich hat. Der Turm sei erst lange nach der Moschee gebaut worden. Er wird genutzt, um zum Gebet aufzurufen. Früher wurde das mit einer Kanone gemacht. Vor jedem Gebet wurde ein Schuss abgefeuert. Die Kanone steht immer noch da, aber ist nicht mehr in Benutzung.

Für mich ist das Gespräch mit dem jungen Mann extrem spannend. Ich setze mich sehr gerne mit Menschen auseinander, die von ihrer Religion berichten. Das geht in diesem Fall besonders gut, weil er sich seine Religion selbst ausgesucht hat. Als ehemaliger Hindu hat sich unser Guide mit dem Christentum und dem Islam auseinander gesetzt. Er sagt, er habe die Bibel gelesen und nennt uns seine Schwestern, weil das Christentum und der Islam viel gemeinsam hätten. Wir würden zu demselben Gott beten. Er zeigt uns einen Stammbaum, der bei Adam und Eva beginnt, über Samuel, Mose, Jacob und viele andere Personen weiter bis zu Jesus führt. Er endet schließlich ganz unten bei Muhammed. Alle seien verwandt, erklärt uns unser Guide.
„Im Judentum wird das Alte Testament gepredigt“, sagt er. „Juden glauben an Moses, und predigen die 10 Gebote. Sie glauben aber nicht an Jesus. Christen glauben an das Alte und das Neue Testament. Aber nach Jesus ist Schluss. Moslems glauben, dass alle diese Menschen Recht hatten. Aber warum war Jesus überhaupt da? Moses hat bereits den Willen Gottes verbreitet. Die Menschen sind ungläubig geworden und haben das Gesagte verändert. Sie haben nicht mehr nach dem Willen Gottes gelebt. Also musste Jesus auf die Erde kommen, um den Willen Gottes erneut zu predigen.“
Er erklärt uns, dass Moslems an alles glauben, was in der Bibel steht. „Dafür brauchen sie die Bibel aber nicht, weil der Qur’an vieles erneut aufgreift.“ Wichtig ist allerdings ein Unterschied. Moslems glauben nicht an die Dreieinigkeit. Sie glauben nicht, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist Gott sind. Das heißt, sie glauben nicht, dass Jesus Gott ist, bzw. als Sohn ein Teil der Dreieinigkeit ist. Er sagt, dass Muhammed wie Jesus auf die Welt kam, um erneut die Lehren Gottes zu predigen.
Unser Guide zeigt uns den Qur’an und liest bzw. singt uns das erste Gebet vor. Es ist auf Arabisch. Er erklärt uns, dass er selbst nicht Arabisch spricht, aber dass es wichtig ist, dass der Qur’an auf Arabisch gelehrt wird. Er liest zwar die englische Übersetzung. Trotzdem sagt er, dass Übersetzungen deswegen so gefährlich seien, weil die Arabische Sprache zu leicht missinterpretiert werden kann. Im Arabischen gäbe es einfach viel zu viele Wörter für dieselbe Bedeutung und anders herum. Das Original des Qur’an liege in der Türkei. Er erklärt uns außerdem, dass Moslems den Qur’an auswendig lernen, damit er nie verloren geht. Man könne ihn verbrennen, aber seine Lehren können immer weiter getragen werden. Außerdem würde man so erkennen, wenn Menschen versuchen, den Qur’an umzuschreiben.
Man merkt, wie wichtig es ihm ist, dass der Qur’an nicht unterschiedlich interpretiert wird. Verschiedene Auslegungen seien ein großes Problem. Der Qur’an sei wie ein BMW. Er stellt uns eine rhetorische Frage: „Wer ist Schuld, wenn der BMW gegen einen Baum fährt? Der Fahrer oder der BMW?“ Er weiß, dass wir aus Deutschland kommen. „Der Fahrer.“ Er geht damit richtend auf Islamisten ein. Dennoch erlaubt er mit dieser Strenge auch keine historisch-kritische Sicht.
Erneut möchte er auf die Rolle der Frau im Islam eingehen. Er sagt, dass es im Qur’an ein Kapitel über Maria gäbe. Das gäbe es in der Bibel nicht. Die Frau stehe in der Rangordnung ganz oben. „Warum? Weil sie die Mutter ist. Ohne die Frauen gäbe es keine Männer. Frauen sind die Königinnen. Ihr seid Königinnen, meine Schwestern. Im Islam ist das Paradies unter den Füßen der Frau. Maria war eine saubere Frau. Sie hat Jesus das Leben geschenkt. Aber er hatte keinen Vater. Sie wusste selbst nicht, wie das passieren konnte. Die Menschen haben sie für eine Prostituierte gehalten. Also tat Jesus sein erstes Wunder. Jesus sprach als Baby zu den Menschen, dass er die Kunde Gottes verbreiten wird. Und die Menschen wussten, dass Maria Recht hatte. Die Rolle des Mannes ist, die Frau zu beschützen.“
Damit entlässt er uns. Er sagt uns, dass wir uns im Paradies sehen werden und dass er für uns beten wird. Dabei gibt er uns zwei Bücher und einen Prospekt mit: Der Qur’an in englischer Übersetzung, ein Guidebook „A Brief Illustrated Guide to Understanding Islam“ und die Broschüre „the truth about Jesus“.
Ein sehr schöner und gelungener Beitrag! Es ist immer wieder interessant und lehrreich solche Berichte zu lesen.
Auf einige moscheebezogene Punkte würden wir gerne etwas eingehen:
Hat uns viel Freude bereitet diesen Bericht zu lesen und wir bleiben gespannt auf weitere Stories von @BackpackAsien.